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ICF Version 2005

Anhang 7: Zusammenfassung des Revisionsprozesses

Die Entwicklung der ICIDH

1972 entwickelte die WHO erste Überlegungen zu den Folgen von Krankheiten und Störungen. Nach wenigen Monaten wurde ein umfassender Ansatz vorgeschlagen. Dieser Vorschlag basierte auf zwei wichtigen Prinzipien: erstens die Unterscheidung zwischen Schädigungen und ihrer Bedeutung, das heißt zwischen ihrer funktionalen und sozialen Folgen und zweitens die getrennte Klassifizierung dieser verschiedenen Aspekte oder Achsen in verschiedenen Ziffernfeldern. Dieser Ansatz bestand im Wesentlichen aus einer Anzahl verschiedener, wenn auch parallelen Klassifikationen. Damit unterschied sich dieser neue Ansatz wesentlich von der Tradition der ICD, in welcher verschiedene Achsen (Ätiologie, Anatomie, Pathologie, etc.) in einem hierarchischen System mit nur einem einzigen Ziffernfeld integriert sind. Es wurde die Möglichkeit geprüft, diese Vorschläge in ein Schema zu integrieren, deren Prinzipien mit der Struktur der ICD vergleichbar waren. Gleichzeitig wurden erste Versuche unternommen, die Terminologie für die Folgen von Krankheiten und Störungen zu systematisieren. Entsprechende Vorschläge wurden 1973 informell verbreitet, und Unterstützung wurde vor allem von Personengruppen erbeten, die in der Rehabilitation tätig waren.

Getrennte Klassifikationen für Schädigungen und (soziale) Beeinträchtigungen zirkulierten 1974 und die Diskussionen wurden weitergeführt. Kommentare wurden verarbeitet und ein definitiver Vorschlag entwickelt. Dieser wurde der Internationalen Konferenz für die neunte Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten im Oktober 1975 zur Prüfung vorgelegt. Aufgrund dieser Prüfung empfahl die Konferenz die Publikation für Versuchszwecke. Im Mai 1976, nahm die Weltgesundheitsversammlung diese Empfehlung zur Kenntnis und verabschiedete den Beschluss WHA29.35, in welchem sie der Publikation dieser ergänzenden Klassifikation von Schädigungen und (sozialen) Beeinträchtigungen für Versuchszwecke zustimmte, und zwar als eine Ergänzung, jedoch nicht als integraler Teil der Internationalen Klassifikation der Krankheiten. Eine erste Ausgabe der ICIDH wurde 1980 publiziert. Im Jahr 1993 wurde sie mit einem zusätzlichen Vorwort nachgedruckt.

Erste Schritte zur Revision der ICIDH

1993 wurde entschieden, mit der Überarbeitung der ICIDH zu beginnen. Die Anforderungen an die überarbeitete Version, vorläufig mit ICIDH-2 umschrieben, waren die folgenden:

  • sie sollte den verschiedenen Zwecken dienen, welche die verschiedenen Länder, Anwendungsbereiche und Disziplinen im Gesundheitswesen forderten;
  • sie sollte einfach genug sein, um von Praktikern als eine sinnvolle Beschreibung von Krankheitsfolgen angesehen zu werden;
  • sie sollte für die Praxis zweckmäßig sein - etwa zur Identifizierung von Bedürfnissen an gesundheitlicher Versorgung und zur individuellen Anpassung der Maßnahmen (z.B. Prävention, Rehabilitation, soziale Interventionen);
  • sie sollte ein kohärentes Bild aller Prozesse zeichnen, die an den Folgen eines Gesundheitszustandes beteiligt sind, sodass der Prozess der Behinderung und nicht nur die Dimensionen von Krankheiten oder Störungen objektiv beurteilt, dokumentiert und entsprechend reagiert werden kann;
  • sie sollte kulturelle Unterschiede berücksichtigen können (übersetzbar und anwendbar in verschiedenen Kulturen und Gesundheitssystemen);
  • sie sollte ergänzend mit der WHO-Familie der Klassifikationen verwendet werden können.

Zu Beginn wurde dem französischen Collaborating Centre die Aufgabe übertragen, einen Vorschlag für den Teil der Schädigungen und zu Sprache, Sprechen und zu sensorischen Aspekten zu erarbeiten. Das niederländische Collaborating Centre übernahm die Bearbeitung der Klassifikation der Fähigkeitsstörungen und der fortbewegungsbezogenen Aspekte sowie die Zusammenstellung der verfügbaren Literatur, während das nordamerikanische Collaborating Centre einen Vorschlag für den Teil der (sozialen) Beeinträchtigungen erarbeiten sollte. Zusätzlich sollten zwei Arbeitsgruppen Vorschläge zum Mental-Health-Bereich und unter Berücksichtigung der besonderen Situation von Kindern machen. Fortschritte wurden bei einem Treffen zur ICIDH-2-Revision in Genf 1996 erzielt, als die verschiedenen Vorschläge zu einem Alpha-Entwurf verarbeitet und erste Pilotversuche durchgeführt wurden. Auf dem Treffen 1996 wurde auch beschlossen, dass sich nun alle Collaborating Centres und Arbeitsgruppen zukünftig mit dem Gesamtentwurf und nicht mehr mit den ihnen früher zur Erarbeitung aufgetragenen Teilen beschäftigen sollten. Zwischen Mai 1996 und Februar 1997 wurde der Alpha-Entwurf unter den Collaborating Centres und den Arbeitsgruppen verbreitet, mit der Bitte um Stellungnahmen und weitere Vorschläge, die dann am Sitz der WHO zusammengestellt und verarbeitet wurden. Gleichzeitig wurde auch eine Liste mit grundlegenden Fragen zu den wichtigsten Problemstellungen der Revision verbreitet, um das Sammeln der Kommentare zu erleichtern.

Die folgenden Punkte wurden während der Revision thematisiert und berücksichtigt:

  • Die dreigliedrige Klassifikation, das heißt Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und (soziale) Beeinträchtigungen, wurde als sinnvoll erachtet und sollte beibehalten werden. Die Einbeziehung von kontextuellen oder umweltbezogenen Faktoren sollte geprüft werden, obwohl die meisten damaligen Vorschläge auf der Stufe der theoretischen Entwicklung und empirischen Überprüfung blieben.
  • Die Bezüge von Schädigungen zu Fähigkeitsstörungen und zu Beeinträchtigungen sowie eine adäquate Beziehung zwischen diesen waren Gegenstand der Diskussionen. Die Kritik richtete sich gegen das kausale Modell der ICIDH von 1980 sowie auf deren fehlende Perspektive für Veränderungen und die Annahme einer eindimensionalen Entwicklung, die stets von Schädigungen zu Fähigkeitsstörungen und dann zu (sozialen) Beeinträchtigungen führte. Während des Revisionsprozesses wurden alternative graphische Repräsentationen vorgestellt.
  • Die Anwendung der ICIDH von 1980 war schwierig. Eine Vereinfachung der Anwendung wurde als notwendig erachtet: die Revision sollte die Klassifikation eher vereinfachen als weitere Detaillierungsgrade einzuführen.
  • Kontextfaktoren (äußere – Umweltfaktoren / innere – personbezogene Faktoren): Diese Faktoren, welche wichtige Komponenten des Prozesses der sozialen Beeinträchtigung waren (wie in der ICIDH von 1980 konzeptualisiert), sollten als zusätzliche Teile der ICIDH entwickelt werden. Weil jedoch die sozialen und materiellen Faktoren in der Umwelt sowie ihre Beziehungen zu Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und soziale Beeinträchtigungen sehr kulturabhängig sind, sollten diese nicht als getrennte Dimensionen innerhalb der ICIDH betrachtet werden. Dennoch wurde überprüft, ob die Umweltfaktoren nicht nützlich sein könnten in der Analyse von Situationen in einem Land und zur Entwicklung von Lösungen auf der Ebene eines Staates.
  • Die Schädigungen sollten den neuesten Kenntnissen zu grundlegenden biologischen Mechanismen Rechnung tragen.
  • Die Anwendbarkeit in verschiedenen Kulturen und das Erreichen einer diesbezüglichen Universalität sollte ein zentrales Ziel sein.
  • Ebenso soll die Entwicklung von Ausbildungsmaterialien und Vorlagen zur Präsentation ein wichtiges Ziel des Revisionsprozesses sein.

ICIDH-2 Beta-1 und Beta-2 Entwürfe

Im März 1997 wurde ein Beta-1 Entwurf erarbeitet, welcher die Vorschläge und Anregungen, welche in den Jahren zuvor gesammelt wurden, integrierte. Der Entwurf wurde am ICIDH-Revisionstreffen im April 1997 vorgestellt. Nach der Einarbeitung der Beschlüsse dieses Treffens wurde im Juni 1997 der ICIDH-2 Beta-1 Entwurf für die Feldversuche herausgegeben. Auf der Basis der Daten und weiteren Rückmeldungen, die im Rahmen dieser Feldversuche gesammelt wurden, wurde ein Beta-2 Entwurf zwischen Januar und April 1999 verfasst. Dieser Entwurf wurde im April 1999 an der Jahresversammlung zur ICIDH-2 in London vorgestellt und diskutiert. Nach der Einarbeitung der Beschlüsse dieses Treffens wurde im Juli 1999 der Beta-2 Entwurf gedruckt und für die Feldversuche veröffentlicht.

Feldversuche

Die Feldversuche zum Beta-1 Entwurf wurden zwischen Juni 1997 und Dezember 1998 und die Feldversuche zum Beta-2 Entwurf zwischen Juli 1999 und September 2000 durchgeführt.

Die Feldversuche ermöglichten die breite Teilnahme der WHO-Mitgliedstaaten und verschiedenster Disziplinen, einschließlich Bereichen wie Krankenversicherungen, Sozialversicherungen, Arbeit, Bildung und weitere Gruppierungen, die sich für Klassifikationen im Gesundheitsbereich interessieren (unter Verwendung der Internationalen Klassifikation der Krankheiten, Pflegeklassifikationen und der Internationalen Standard-Klassifikation des Bildungswesens - ISCED). Ziel war es, einen Konsens zu erreichen mittels klarer Definitionen, die sich operationalisieren ließen. Die Feldversuche stellten einen kontinuierlichen Prozess der Entwicklung, Konsultation, Rückmeldung, Aktualisierung und Testung dar.

Die folgenden Studien wurden als Teil der Beta-1 und Beta-2 Feldversuche durchgeführt:

  • Übersetzung und linguistische Evaluation;
  • Item-Evaluation;
  • Antworten auf grundlegende Fragen durch Konsensuskonferenzen und Einzelpersonen;
  • Rückmeldungen von Organisationen und Einzelpersonen;
  • Testung von Optionen;
  • Machbarkeits- und Reliabilitätstests in Fallbesprechungen (anhand klinischer Studien und vorgegebener Fallbeispiele);
  • weitere Studien (zum Beispiel Studien zu Fokusgruppen).

Die Testung thematisierte auch kulturvergleichende und bereichsübergreifende Fragestellungen. Aus mehr als 50 Ländern wurden die Ergebnisse von über 1800 Expertinnen und Experten oder Expertengruppen, die sich an den Feldversuchen beteiligt haben, verarbeitet.

ICIDH-2 Prefinal Version

Auf der Grundlage der Daten aus den Beta-2 Feldversuchen und der Konsultation der Collaborating Centres sowie des WHO-Experten-Komitees für Messung und Klassifikation wurde im Oktober 2000 die Prefinal Version der ICIDH-2 entworfen. Dieser Entwurf wurde am Revisionstreffen im November 2000 präsentiert. Nach der Einarbeitung der Empfehlungen aus diesem Treffen wurde der ICIDH-2 Prefinal-Entwurf (Dezember 2000) im Januar 2001 dem Exekutivrat der WHO vorgelegt. Der letzte Entwurf (final draft) der ICIDH-2 wurde dann im Mai 2001 auf der 45. Weltgesundheitsversammlung vorgestellt.

Verabschiedung der Endversion

Nach der Erörterung des letzten Entwurfes mit dem Titel Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, verabschiedet die Gesundheitsversammlung die neue Klassifikation mit Beschluss WHA54.21 am 22. Mai 2001. Der Beschluss lautet wie folgt:

Die 54. Vollversammlung der Weltgesundheitsorganisation

  1. beschließt die zweite Auflage der Internationalen Klassifikation der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen (ICIDH) unter dem Titel Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, im folgenden kurz ICF genannt;
  2. fordert die Mitgliedsstaaten auf, die ICF in geeigneter Form bei Forschung, Überwachung und Berichterstattung zu verwenden, unter Berücksichtigung der spezifischen Situationen in den Mitgliedstaaten und besonders auch zukünftiger Revisionen;
  3. bittet die Generaldirektorin, Mitgliedsstaaten auf deren Ersuchen bei der Anwendung der ICF zu unterstützen.